Silikon­implantate in der Brust­chirurgie

Silikonimplantate Brustchirurgie

Das sehr seltene Anaplastische Großzellymphom (BIA-ALCL) als Komplikation nach Vergrößerung der Brust mit texturierten Silikonimplantaten: Gibt es neue Erkenntnisse? Eine Recherche von Frau Dr. med. Sandra Münchow, Fachärztin für Plastische Chirurgie, AMK Köln.

Einleitung

Ein volles, weibliches Dekolleté ist die „Traumvorstellung“ vieler Frauen. Eine Möglichkeit sich diesen Traum zu erfüllen ist die Brustvergrößerung mit Silikonimplantaten. Medizinisches Silikon ist ein gut untersuchtes Produkt und wird in vielen Fachrichtungen verwendet. Trotz aller Vorsicht und Planung bergen Implantate jedoch eine Reihe von Nebenwirkungen. Eine in den letzten Jahren viel diskutierte aber sehr seltene Komplikation, ist das „Brustimplantat assoziierte Anaplastische Großzelllymphom“ kurz BIA-ALCL. Dieses Lymphom ist ein seltenes T-Zell Lymphom (1) welches überwiegend in der Kapsel des Implantats oder in perikapsulären Flüssigkeitsansammlungen (Seromen) ohne ausgedehnte Weichteilinfiltrationen der Brust gefunden wird (2).

Diskussion

Aktuell sind weltweit 1,130 einzelne Fälle von BIA-ALCL (Stand 01.01.2022, (3)) bekannt und 59 Todesfälle bei Patienten (Stand 01.04.2022, (3)). In Deutschland sind bisher 37 histologisch bestätigte Fälle bekannt (Stand 22.07.22, (4)). Auch wenn sich das nach einer hohen Anzahl anhört, sollte man jedoch die Anzahl an Brustvergrößerungen dem gegenüberstellen. Denn allein 2020 wurden über 1,6 Millionen Brustvergrößerungen weltweit (5) (6)und 3892 in Deutschland durchgeführt (6). Seit die WHO 2016 diese Art von Lymphom als eigenständig klassifiziert hat (7) (8)wurde in verschiedenen Studien und Kongressen heftig über die Ursachen debattiert. Die Europäische Kommission beauftrage den Wissenschaftlichen Ausschuss für “Gesundheit, Umwelt und neu auftretende Risiken” [SCHEER] sich mit der Sicherheit von Brustimplantaten in Bezug auf dieses spezielle Lymphom zu beschäftigen (9) . Insbesondere der Zusammenhang zwischen Texturierung oder Rauheitsgrad interessierte die Gruppe. Aufgrund der geringen Inzidenz des mit Brustimplantaten assoziierten anaplastischen großzelligen Lymphoms (BIA-ALCL) lässt sich das Ausmaß des Risikos je nach Art des texturierten Implantats jedoch nur schwer bestimmen (9). Weiterhin scheint es fraglich, dass nur die Oberflächenbeschaffenheit der Implantate als einziger Faktor für die Erkrankung in Frage kommt. Zwar zeigt sich ein Zusammenhang mit sehr rauen Implantaten, da insbesondere eine sehr grobe Oberfläche bzw. reaktive Verbindungen der Implantathülle durch Herstellungsprozesse die T-Zellen chronisch zu aktivieren scheinen und damit eine Entartung begünstigen könnten (9). Jedoch kristallisierten sich noch 3 weitere Hypothesen heraus, welche nicht als vollständig zu betrachten sind. Frauen mit einer genetischen Prädisposition (z.B. BRCA1/2 Mutation) scheinen ein erhöhtes Risiko zu haben, weiterhin scheinen mikroskopische Silikonaustritte (sogen. Microbleeding) und bakterielle Kontamination der Implantate eine chronische Entzündung auszulösen und ebenso ein Risikofaktor darzustellen (9).

Bei der Untersuchung des Zusammenhanges der Implantat Oberfläche und Lymphom Entstehung, zeigte sich, dass 91% der Lymphom Fälle welche mit rauen Implantaten in Zusammenhang stehen, bei Patienten auftraten welche die Biocell Implantate von der Firma Allergan (9) implantiert bekamen. Bei den Patienten welche Polyurethanbeschichtete Implantate erhielten, kamen die Lymphomfälle über 90 % (10) bei Implantaten der Firma Silimed vor (9). In einigen Fällen zeigte sich die Entwicklung der Krankheit Jahre nach einer vorherigen Explantation und Kapsulektomie (9) Je nachdem ob diese Implantattypen der beiden Firmen in die Statistik einbezogen wurde, ergeben sich verschiedene Inzidenzen von 1:350 in einer Patientengruppe mit Allergan-Implantaten (11) (8) (5)bis zu 1:10000 (10). Da in allen einsehbaren Statistiken beide Firmen noch vertreten sind, ist die Angabe einer Gesamtinzidenz schwierig zu beurteilen. Bei symptomlosen Patienten mit rauen Implantaten rät die SCHEER von einem prophylaktischen Implantatwechsel ab, da zum einen das Risiko zu erkranken sehr niedrig ist und zum anderen der Wechsel ebenfalls keine 100% Risikominimierung (9) darstellt. Bei symptomatischen Patienten (typisch einseitige Schwellung Jahre nach Implantation) (1) erfolgt eine Diagnosesicherung mittels Punktion und Analyse der Serom-Flüssigkeit oder, falls es sich um eine Auffälligkeit in der Kapsel handelt, durch eine Biopsie des Gewebes. Behandlung von symptomatischen Patienten ohne histologischen Nachweis ist die Entfernung der makrotexturierten Implantate und der Kapsel. Da Studien davon ausgehen, dass ein reiner Wechsel der Implantate von rau auf glatt ohne Entfernung der Kapsel oder Teilentfernung der Kapsel ein Auftreten des Lymphoms nicht verhindert (11). Bei histologisch nachgewiesenem Lymphom wird eine en bloc Resektion (d. h., Implantat einschließlich Serom, intakter Kapsel und assoziierter Massen) mit krankheitsfreien Rändern, einschließlich des gesunden Gewebes (9) sowie eine prophylaktische Implantatentfernung mit totaler Kapsulektome der Gegenseite empfohlen.

Fazit

Aktuell kann zur Orientierung des chirurgischen Vorgehens auf die Empfehlungen der SCHEER verwiesen werden. Für Patientinnen mit völliger Beschwerdefreiheit nach Silikon-Brustimplantatinsertion ist demnach eine regelmäßige Kontrolle der Implantate mittels Ultraschalles jährlich bis 2 jährlich ausreichend. Eine erneute Operation mit Implantatwechsel ist nicht notwendig (9).

Bei Beschwerden im Sinne eine Verhärtung der Brust/Spannungsgefühl der Brust wird eine Ultraschalluntersuchung und eine MRT-Untersuchung (3), bei Auffälligkeiten der Kapsel oder des Implantates oder bei vermehrter Flüssigkeitsansammlung um das Implantat eine Punktion/Biopsie zur Diagnosesicherung empfohlen (9) (1). Ohne histologischen Nachweis einer ALCL wird ein Implantatwechsel mit totaler Kapsulektomie angeraten.

Eine histologische Bestätigung führt zur Empfehlung einer En-Bloc Resektion (9) und einer onkologischen Nachsorge. Für uns Chirurg*innen hat die aktuelle Kenntnislage Bedeutung und fordert Handlungsbedarf.

Es gilt, der Entwicklung der Studienlage und der Debatte zu folgen und die Empfehlungen einzelner zuständigen Institutionen wie der SCHEER oder den ÄRZTEKAMMERN (12) sowie die aktuelle Studienlage im Auge zu behalten. Unstrittig ist, dass dringend weitere, zeitnahe und qualitativ hochwertige Studien zur Verträglichkeit verschiedener Silikonimplantate notwendig sind.

Weiterhin ist die Etablierung eines übergreifenden Implantat Registers zu erwägen um schnellere Rückschlüsse ziehen zu können (9).

Bis zur Klärung einer Kausalkette mit wissenschaftlichem Nachweis ist die Aufklärung unserer Patienten über die bestehende Diskussion und den mutmaßlichen Zusammenhang einiger bestimmter Silikonimplantate und der Ausbildung einer ALCL im Rahmen eines schonungslosen Aufklärungsgespräches vor einer Brustaugmentation unumgänglich.

Literaturverzeichnis
  1. How to Diagnose and Treat Breast Implant-Associated Anaplastic Large Cell Lymphoma . Mark W Clemens, Garry S Brody, Raman C Mahabir , Roberto N Miranda. 141(4):586e-599e, s.l. : Plast Reconstr Surg, 2018 Apr. PMID: 29595739 DOI: 10.1097/PRS.0000000000004262 .
  2. Onkopedia. Periphere T-Zell Lymphome. [Online].
  3. Food and Drug Administration (FDA) . Medical Device Reports of Breast Implant-Associated Anaplastic Large Cell Lymphoma.
  4. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Möglicher Zusammenhang zwischen Brustimplantaten und der Entstehung eines anaplastischen großzelligen Lymphoms (ALCL). [Online].
  5. The International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS). [Online] 2020.
  6. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) . [Online] 2020.
  7. The 2016 revision of the World Health Organization classification of lymphoid neoplasms . Steven H Swerdlow, Elias Campo, Stefano A Pileri, Nancy Lee Harris, Harald Stein,Reiner Siebert , Ranjana Advani, Michele Ghielmini, Gilles A Salles, Andrew D Zelenet, Elaine S Jaffe. 127(20):2375-90, s.l. : Blood, 2016 May 19. PMID: 26980727 PMCID: PMC4874220 DOI: 10.1182/blood-2016-01-643569 .
  8. Risk of breast implant associated anaplastic large cell lymphoma (BIA-ALCL) in a cohort of 3546 women prospectively followed long term after reconstruction with textured breast implants . Peter G Cordeiro, Paola Ghione , Andy Ni , Qunying Hu , Nivetha Ganesan ,Natasha Galasso , Ahmet Dogan, Steven M Horwitz. 73(5):841-846, s.l. : J Plast Reconstr Aesthet Surg, 2020 May. PMID: 32008941 PMCID: PMC7247945 DOI: 10.1016/j.bjps.2019.11.064 .
  9. Final opinion on the safety of breast implants in relation to anaplastic large cell lymphoma: Report of the scientific committee on health, emerging and environmental risks (SCHEER) . Wim H De Jong, Demosthenes Panagiotakos, Ana Proykova, Theodoros Samaras, Mark W Clemens, Daphne De Jong, Ingrid Hopper , Hinne A Rakhorst, Fabio Santanelli di Pompeo , Suzanne D Turner, SCHEER. Electronic address: sante-c2-scheer@ec.europa.eu and SCHEER. 2021 Oct, Regul Toxicol Pharmacol, p. 125:104982.
  10. BIA-ALCL-Horizon Scanning . Patrick Mallucci, Giovanni Bistoni. 34:245-251, s.l. : JPRAS Open, 2022 Oct 21. PMID: 36483300 PMCID: PMC9722393 DOI: 10.1016/j.jpra.2022.09.007 .
  11. Mortality Rate in Breast Implant Surgery: Is an Additional Procedure Worthwhile to Mitigate BIA-ALCL Risk? Fabio Santanelli di Pompeo, Michail Sorotos, Mark W Clemens, Guido Paolini, Paolo Anibaldi, Marina Davoli,Giovanni Baglio, Luigi Pinnarelli , Margherita Ferranti, Francesco Cerza, Stefano Domenico Cicala, Guido Firmani . s.l. : Aesthetic Plast Surg, 2022 Nov 14. PMID: 36376583 DOI: 10.1007/s00266-022-03138-5 .
  12. Brustimplantat-assoziiertes Lymphom. Kricheldorff, Julian, et al. s.l. : Dtsch Arztebl, 2018. 115: 628-35; DOI: 10.3238/arztebl.2018.0628.
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Bild: © Михаил Решетников / stock.adobe.com

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